Novemberrunde – 32 harte Kilometer im Isergebirge
Als da plötzlich Aussicht auf diesen einen gemeinsamen Wandertag bestand, hatte Steffen kurzerhand eine Rundwanderung im tschechischen Isergebirge über die App komoot geplant und schlicht „Novemberrunde“ genannt.
Ca. 29 km, 1250 m im Auf- und Abstieg, und … häää, was stand da?
Durchschnittsgeschwindigkeit 3,5 km/h und Bewertung „schwer“? So ein Quatsch, dachte ich, das wird ein lockerer Spaziergang!
Doch mit „locker“ war da nichts. Aber der Reihe nach:
Als Start-, Zielpunkt und als Quartier für zwei Nächte hatte Steffen das Kloster Hejnice (Klášter Hejnice), eine schöne historische wenn auch etwas überteuerte Unterkunft ausgegraben. Von hier ging es mit frühem Licht in der Kühle des überraschend sonnigen Novembertages über knapp 2 km und 450 hm sofort straff aufwärts zum Aussichtspunkt Ořešník (Nußstein).
Die Landschaft entpuppte sich als betörend schön – ausgedehnte vom farbigen Laub befreite Wälder, Felsklippen, abwechslungsreiche Pfade und schließlich der Stolpichfall (Velky Stolpich vodopad), ein gewaltiges Naturschauspiel.
Schon hier war ich vom Isergebirge überrascht, dass ich bisher nur von den runden Bergkuppen der Südseite kannte. Aber das war ja nur der Anfang!
Jetzt führte uns Steffens Track plötzlich vom Hauptweg weg, ab in ein Hochmoor. Konnte das sein? Klar, hier waren Pfade, aber sind die erlaubt? Ja, haben wir später gegoogelt, waren/sind sie – man darf im Nationalpark Iser- und Riesengebirge gehen, wo und wie man lustig ist, mit Ausnahme der Schutzzone 1. Und in der waren wir hier nicht. Durch den frühen Nebel, vorbei an Schneeresten ging es … was war denn das!?
Auf der Karte war ein Weg, und ein Bach, hier auch! Auf der Karte war allerdings keine Brücke – hier auch nicht!
Umkehren? Nee, das war zu weit! Bei sommerlicher Trockenheit kann man vielleicht von Stein zu Stein steigen, das ging heute nicht – Schuhe aus, Hosen hochgekrempelt, durch! War nicht schmerzfrei, aber ein tolles Abenteuer!
Mit warmen Füßen ging es zunächst entlang dem soeben durchquerten Černý potok (Schwarzbach) etwas abwärts, dann steil bergauf zur nächsten Überraschung. Wir fanden uns in der Felsenstadt von Friedland, der Friedlander Zinne (Frýdlantské cimbuří) wieder. Eine beeindruckende Felsenwelt mit steilen teils kettenversicherten Pfaden, großartigen Aussichtspunkten bis hin zu den finalen Mittagssteinen (Polední kameny), an denen wir nach ca. 10 km in fast vier Stunden, ja, komoot hatte wohl Recht mit der Bewertung, unsere erste Rast machten.
Durch ein Hochmoor, teils auf Holzplanken, umrundeten wir den Wittigberg (Smědavská hora) um schließlich am ersehnten einzig geplanten Gasthaus mit dem herunterklappenden Kinn auf den Schotter des Weges zu schlagen: die Smedava-Baude, das Wittighaus (Horská chata Smědava) war weg! Nein, nein, wir hatten uns nicht verlaufen, es war einfach weg, abgerissen!
Steffen war erst einige Wochen zuvor an der noch intakten Baude vorbeigeradelt. Auch hier half später das Internet: wohl am 27. Oktober, also nur wenige Tage zuvor, hatte der nun bereits vollendete Abriss begonnen, baufällig soll die Baude gewesen sein, demnächst soll sie neu entstehen.
Geblieben war ein Imbiss unter der ehemaligen Terrasse, unsere kurze Einkehr war also trotz allem gesichert.
Dann aber sollte der geographische Höhepunkt des Tages folgen, die Besteigung des Smrk (Tafelfichte), des höchsten Berges im tschechischen Teil des Isergebirges. Da die Zeit knapp zu werden drohte und uns Steffens Track schon einiges an Wegeabenteuer abverlangt hatte, ging es nun auf breiten Fahrwegen wenig spektakulär, dafür sanft und allmählich aufwärts. Erst der letzte Kilometer zum Gipfel (Himmelsleiter) war dann nochmal ein schmaler steiler Anstieg, gefühlt in einem Bachbett gehend, mit großartigen Aussichten und allem, außer Felsen, was das Isergebirge zu bieten hat.
Der Gipfel selbst ist kuppig und stünde da nicht ein Aussichtsturm mit gastronomischer Versorgung, auch die haben wir aus Zeitgründen ausgelassen, würde man ihn wohl kaum als diesen besonderen Höhepunkt wahrnehmen.
Der Abstieg vom Smrk und der Rückweg nach Hejnice, auch dieses Finale hatten wir spontan abweichend vom schweren komoot-Track und damit streckenmäßig deutlich länger, zeitlich aber ganz sicher kürzer, gewählt, war mit matschigen Wegen, steilen Hängen und Felsblöcken überschütteten Pfaden nochmals eine harte Herausforderung für unsere nun doch schon deutlich ermüdete Muskulatur.
Steffen hat hier übrigens ganz klassisch wie in unseren alten Wanderzeiten mit einer richtigen Papierkarte navigiert, herrlich, dass es so etwas noch gibt!
Ganz haben wir den Abstieg letzten Endes doch nicht bei Tageslicht geschafft, aber die knapp 300 hm von der Hubertusbaude (Chata Hubertka, Bílý Potok pod Smrkem) mit Stirnlampen durch den dichten Wald waren ein würdiges Finale.
Die letzten Kilometer auf der Straße zurück zum Kloster Hejnice vergessen wir einfach!
Fazit
Wir haben eine lohnende, tatsächlich schwere aber landschaftlich herausragende Wanderung durch das Isergebirge erlebt, die durchaus empfehlenswert ist. Allerdings haben wir als trainierte Sportler, Läufer, am Ende doch recht deutlich gemerkt, dass das kein Zuckerschlecken war. Wer die Runde wie aufgezeichnet gehen möchte, sollte also wissen, worauf er sich einlässt, besser dürfte es sein, zwei Tagestouren, dann im zweiten Teil doch abseits der breiten Fahrwege, zu gehen.
Und, verständlich nur für Insider,
danke Christoph, dass du uns diese Zeit, diesen kleinen positiven Lichtblick, ermöglicht
und danke Almuth, dass du uns mit deiner Logistik den Rücken freigehalten hast!
Aufzeichnung unserer Tour
Distanz: Kilometer Höhe (min): Meter Höhe (max): Meter