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Auge um Auge Ultralauf BonnAuge um Auge, das Auge Gottes und ein Auge zu viel

Auch wenn der Titel dieser Geschichte sehr augenlastig ist, trifft er das Erlebte auf den Punkt. Dabei fehlt sogar noch eine entscheidende Komponente, nämlich meine Augen! Klar, ich sehe nicht besonders gut, nachts noch etwas schlechter, aber es geht schon irgendwie, denke ich; dachte ich, als ich mich entschieden hatte, zu einem verrückten Lauf zurückzukehren, dem KoBoLT, Koblenz-Bonn-Lauf/Trail, allerdings in einer abgespeckten Version – 73 km, 2800 positive Höhenmeter, Start Bonn, 0:00 Uhr!

23.11.2014, gegen 5 Uhr, mitten im Siebengebirge 
Mehr als 100 km des KoBoLT liegen hinter mir, ich bin müde, erschöpft. Da kommt mir eine plötzliche Bank mehr als gelegen, Minutenschlaf. Nicht lange, es ist kalt, weiter geht es. Neben der Bank sehe ich noch eine kleine Kapelle,  schön sieht sie aus, müsste man fotografieren denke ich, aber die Energie fehlt, den Gedanken in eine Tat umzusetzen. 

Wenig später treffe ich auf Constanze, sie betreut einen anderen Läufer, und frage sie, wann denn das „Auge Gottes“ komme? Hier war ein Pflichtfoto fällig, um nachzuweisen, dass man diesen Punkt passiert habe. Als sie meinte, dass ich doch gerade daran vorbei sei, klappte mir der Unterkiefer runter! Verdammt, die kleine Kapelle!
Ich musste nicht zurück, Constanze bestätigt später beim Racedirector, mich dort gesehen zu haben.

27.11.2022, Bonn, 0:00 Uhr
Das „Auge Gottes“ war damit tief in meine Erinnerung eingebrannt und diese Erinnerung war hellwach, als ich vom „Auge um Auge“-Ultralauf las. Eine kleine Version des KoBoLT mit Start und Ziel in Bonn, Lauf auf dem Rheinsteig bis zum „Auge Gottes“ und dann die gleiche Strecke zurück. Start mitten in der Nacht, damit das Event in den Rahmen der anderen Läufe passt, 14 Stunden Zeit – na das ist doch absolut kein Problem!
Zumindest dann nicht, wenn man sich nicht selbst Probleme bereitet!

Jetzt jedenfalls bin ich optimistisch unterwegs.
Neben mir ein älterer Läufer, der mich vor dem Start nach meiner Zielzeit gefragt hatte und auf meine Antwort, 12 Stunden, freudig meinte, dass das auch sein Ziel sei, wir könnten doch gemeinsam laufen, zwei sähen mehr und man sei nicht so einsam. Das war meine Rettung, damit war die Orientierung in der langen Nacht gesichert. 

Doch Rainer, seinen Namen lese ich erst später in der Starterliste, auf meine Frage, wer er denn sei, hatte er gemeint: „Der älteste Teilnehmer, 79“, ist eine „Mogelpackung“. Schon auf den ersten zwei Kilometern merke ich, dass er nicht mal acht Minuten auf dem Kilometer halten kann, entscheide mich, mich abzusetzen. Dann aber, nach nur ca. 3 km, stehe ich im Wald! Wo geht es weiter? GPS-Gerät raus, ich bin nicht auf dem Track. Rainer kommt, ebenso ratlos. Wir laufen zurück, finden nach längerer Suche einen vom Herbstlaub versteckten Abzweig. Verdammt, so sieht es hier nachts also aus, schon jetzt ist 1 km mehr auf der Uhr, knapp 20 min sind weg, das wird schwer!

Ich entscheide mich, doch bei Rainer zu bleiben. Ein Fehler! Wir kommen nicht vorwärts, verlaufen uns immer wieder, erreichen nach 4:22 Std. den VP beim km 22, eine Stunde später als geplant.
Ich bin verzweifelt, will aufgeben, als ich erfahre, dass die Cutoff-Zeit hier am VP auf dem Rückweg nicht, wie in der Ausschreibung stehend, 9:00, sondern 10:00 Uhr sei.
Na dann sieht die Welt gleich wieder viel freundlicher aus! Weiter geht's!

Gottfried Kinkel Grundschule Turnhalle  Aldo Bergmann vor dem Start Auge um Auge  Start Auge um Auge Ultratrail Bonn  Rhöndorf am Drachenfels

Schützenhaus Rhöndorf Verpflegungspunkt  Das Auge Gottes  Ultralauf Bad Honnef  Morgenrot im Siebengebirge

Ich gehe den nächsten Abschnitt zügig an, Rainer ist bereits nach 500 m nicht mehr zu sehen, komme überraschend gut zurecht, verlaufe mich nur ein Mal um wenige Meter. 

Dann endlich Halbzeit beim ersten Tageslicht am „Auge Gottes“ nach 7 Std. 22 min, diesmal natürlich das Foto gemacht, und erkannt, dass ich auf dem Rückweg ins Ziel schneller sein muss, als auf dem Hinweg. Das wird knapp aber ist zu schaffen, allein das Tageslicht ist viel wert und der erste Abschnitt geht deutlich schneller, als auf dem Hinweg.

Wieder komme ich gut voran, habe den fürchterlich anstrengenden langen Anstieg zum Himmerich vor mir, eine der schweren Erinnerungen von 2014, und steige zügig mit meinem höchsten Puls des Events durch.

Da ich auf dem Hinweg hier rechts abwärts abgebogen bin, biege ich nun oben natürlich links ab. Bei Tageslicht sieht alles anders aus, "War hier nicht Wald?" denke ich noch!
Dann, wenig später, stehe ich mit offenem Mund vor einem Baum mit einem gelben Rheinsteig-Zeichen. Beim Briefing hatte man uns gewarnt: immer dem blauen Zeichen folgen, die gelben sind nur Zubringer.
Aber wie bin ich hierher gekommen? Wieso bin ich auf einem Zubringer? Hilfesuchend das GPS-Gerät raus, verdammt, Batterie alle, gewechselt und … wo bin ich? Weit und breit kein Track!

Ich finde nicht den Ausweg und – ich erinnere an den Spruch „Laktat macht doof“ – habe keine rationale Lösung. Zurück auf den Track geht nicht, ich habe meinen Lauf mit dem Gerät nicht aufgezeichnet. Meine Karte zeigt keinen anderen Pfad oder Weg der zum entfernten Track führt. Handy raus und OpenStreetMap nutzen, dafür reicht jetzt das Hirn nicht, ich folge nach einigem Hin und Her und der Erkenntnis, dass ich im Kreis gelaufen bin, einfach dem gelben Zeichen!

Etwa 20 Minuten bleiben so liegen. Auf dem Weg abwärts, wissend dass das das Aus ist, rufe ich Almuth an und erfahre, dass sie meinen Verhauer gesehen habe. Sie hat mich wie üblich im Live-Track verfolgt, war schon mit dem Auto vom VP wieder in meine Richtung unterwegs, navigiert mich nun telefonisch auf den Kurs zurück.

Bei etwa offiziellem Kilometer 42 steige ich um 9:06 Uhr mit mehr als 46 km auf der Uhr aus dem Rennen aus. Nicht nur der Cutoff um 10 Uhr war nicht mehr zu schaffen, ich hatte zudem die Wettkampfstrecke in einem erheblichen Maße verlassen, ein zusätzliches Auge in die Landschaft „gezeichnet“, so dass eine Rückkehr und ein fairer Lauf nicht mehr möglich waren, selbst wenn die Zielzeit 14 Uhr noch zu schaffen war. (Siehe unten die Aufzeichnung des Tracks, km 43)

Rheinsteig Ultralauf  Himmrich im Siebengebirge  Rheinsteig MArkierung  Aldo Bergmann auf dem Rheinsteig

Was bleibt zu sagen?

Ich war am Himmrich „blind“ zu hoch aufgestiegen, hätte viel früher, tiefer ausqueren müssen. Hätte ich meinen Track auf dem GPS-Gerät aufgezeichnet, hätte ich das gesehen und zurückkehren können. (Auf der Garmin-Karte fehlt der von mir gestiegene Pfad, OpenStreetMap dagegen enthält ihn. Ich werde daher zukünftig mit OSM-Karten laufen!)

Der Hauptfehler allerdings liegt ganz am Anfang, das Vertrauen auf einen unbekannten Läufer hatte einfach zu viel Zeit gekostet, vermutlich wäre ich mit dem einen oder anderen Verhauer trotzdem deutlich schneller unterwegs gewesen, als mit dem ältesten Teinehmer.

Ob ich diesen „Sack“, dieses nun unvollendete Projekt,  abhänge / beende, bleibt offen, immerhin kenne ich ja jetzt den Weg und die kleinen Fallen ...

Jedenfalls war ich nach dem Lauf topfit, schon gegen 10:30 Uhr saßen wir beim Brunch in einem wunderschönen Bonner Lokal und genossen, wie in den Tagen zuvor und danach, Bonn, einige Sehenswürdigkeiten und den wunderschönen Bonner Weihnachtsmarkt.

Bonn Altes Rathaus  Sternenstraße Bonn  Weihnachtsmarkt Bonn  Beethoven Denkmal Bonn

Kinderkarussell  Almuth und Aldo Bergmann  Sea Life Königswinter  Rochen

Es bleibt also ein tolles Laufabenteuer, ein herrliches verlängertes Wochenende und ein Lächeln, nicht nur in den Augen!

Der Track meines Laufes - mit einem Auge in der Landschaft

Distanz: Kilometer
Höhe (min): Meter
Höhe (max): Meter

 

 

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