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JUNUT nach 151 km über die LeitplankeJurasteig-Nonstop-Ultratrail 2016
Kein frühes Aus und kein schnelles Ende

Ich bin fast so aufgeregt, wie morgens am Start, als ich nach 78 Rennkilometern und fast 13 Stunden Renndauer in das Rettungsboot der Feuerwehr Matting steige. Es geht im Schein der Positionslampe durch die frühe Nacht an das andere Donauufer. Gute 92 Kilometer liegen noch vor mir und wichtig: ich bin unterwegs. Denn fast genau ein Jahr zuvor hatte es hier ganz anders ausgesehen. Ich war am Ende meiner physischen und mentalen Kräfte, mein Rettungsboot war damals der Rennabbruch und dir Rückfahrt ins Hotel. Aber mit der Erfahrung des Vorjahres war ich heuer früher und frischer hier – und ich war nicht allein unterwegs.

Allein war ich zwar auch 2015 nicht, denn gemeinsam mit Volker Roßberg waren wir auf diese 170-km-Distanz gegangen. Damals musste ich Volker aber bereits nach 51 km in Kelheim ziehen lassen, ich hatte ihn nur gebremst. Volker ist heuer auf der 239-km-Strecke unterwegs und hier in Matting längst über alle Berge. (Beim Schreiben dieses Textes fällt mir auf, dass diese Redewendung ja im wahrsten Sinne des Wortes zutrifft, witzig!)

An meiner Seite ist Wiese. In einem Anflug euphorischen Leichtsinns hatte er sich für den JUNUT über 239 km angemeldet. Am Start fragte er, ob er denn zunächst bei mir bleiben könne, meiner Erfahrung wegen. Und so waren wir ab Kilometer Null ein Team. Noch vor der ersten Verpflegungsstelle, immerhin sind mehr als 1000 (teils recht steile) Höhenmeter auf nur 26 km zu überwinden, erkennt er, dass 170 km wohl reichen würden, „Das ist nicht meine Liga!“, meinte er.

Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT Volker Martin Aldo  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT Dietfurt Start  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT enjoy your uphill  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT Aussicht auf Riedenburg

Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT Volker in Riedenburg  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT am VP in Riedenburg  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT Klamm im Altmühltal  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT am Donaudurchbruch

Von wegen: nach 36 Stunden und 29 Minuten sind wir immer noch zusammen und erreichen gemeinsam das Ziel. Es ist also doch unsere Liga, auch wenn das „Spiel“ in dieser Klasse ein hartes und der Weg ins Ziel nicht nur kilometermäßig weit waren. Sehr sehr weit!

Die ersten drei Wegabschnitte (27, 24, 27 km) sind landschaftlich herausragend schön, aber mit ca. 2800 hm auch knochenhart. Später ab Matting, auf der anderen Seite der Donau, hat uns die Nacht fest in Griff. Berge sind im Schein der Stirnlampen nur noch zu spüren, zu sehen ist so gut wie nichts.

Bei km 80,5 beginnt es zu regnen. Ich wundere mich, dass die Tropfen nur auf meine Waden plätschern – dann durchfährt es mich wie ein Blitz: es regnet nicht! Meine Trinkblase hat den Geist aufgegeben, das edle Getränk schießt aus dem Rucksack! Ich reiße ihn runter, versuche noch zu trinken, was zu trinken geht – vergebens! Wiese bietet mir sofort an, sein Vorrat mit zu nutzen und hat das Handy draußen: Notruf an Almuth und Diana, unserem immer präsenten und unbeschreiblich umsichtigen Betreuerteam, die 8 km weiter am nächsten Verpflegungspunkt warten. Dort ist eine Reservetrinkblase! Warum auch immer hatte ich mir die erst wenige Tage vor diesem Event zugelegt, bloß gut!

  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT Volker in Kehlheim  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT kurz nach kehlheim  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT Park Bad Abbach  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT Feuerwehrhaus Matting

Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT Überquerung der Donau  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT Wiese gratuliert Fechi nach 80 km  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT Ankunft in Schönhofen  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT im Naturfreundehaus Schönhofen

Tatsächlich wird im Naturfreundehaus Schönhofen bei km 88,5 die Ordnung wieder hergestellt, eine richtiges Bier getrunken – dann wieder raus, weiter geht es durch die Nacht. An joggen ist nicht zu denken, mir sind die vielen Singletrails in der Finsternis einfach zu gefährlich!
Nach 105 km in der Klosterwirtschaft Pielenhofen sind wir dann schon recht „breit“. Die Füße schmerzen, die Müdigkeit ist zermürbend. Ich versuche zu schlafen, es ist zu unruhig, ich bin noch zu aufgeputscht.

Und wieder raus. Inzwischen ist es klirrend kalt geworden. Als Trost bleibt, dass bis zum nächsten VP die Nacht vergangen sein wird. Tatsächlich kehrt das Licht zurück, aber die Müdigkeit bleibt. Mit Wiese legen wir nun einen richtigen Schnitzer hin, überqueren die Naab zu früh über die falsche Brücke, laufen in die falsche Richtung, trotz GPS-Track. Als wir den Fehler merken, war schon ein Weilchen vergangen, im Ziel dann stehen fast 2 km mehr auf dem Display.

Während Wiese seine Krise langsam zu überwinden scheint, geht es mit mir jetzt richtig bergab. Auch der Schlafversuch in Dallackenried, km 116, scheitert, dafür schlafe ich beim Gehen ein und stürze fast. Irgendwann muss ich die Notbremse ziehen, einfach hinlegen. Tatsächlich schlafe ich gute 20 min wie tot, Wiese präpariert inzwischen seine Blasen.

Der Schlaf hat Wunder bewirkt! Plötzlich geht es wieder, wir werden schneller, können sogar wieder traben, erreichen km 138 in Schmidmühlen. Inzwischen ist es so warm, dass ich auf dünnere Kleidung umstelle und auch die Schuhe wechsle. Das hatte ich bisher der „Luftpolsterung“ wegen nicht gewagt. Almuth öffnet mir die Blasen – mein Gott, wie kann man derart stinkende Füße bloß anfassen!!! Der frische gedämpfte Trailschuh am Fuß ist wie Balsam für die geschundenen Füße!

Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT Dallackenried  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT Schmidmühlen  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUTunterwegs nach Hohenburg  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT die schmerzhafte Leitplanke

Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT am VP Hohenburg  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT 10 km vor dem Ziel  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT kurz vor dem Ziel  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT Ziel 170 km

Als wir nach langer Pause aufstehen und losgehen, sind wir uns mit Wiese einig, jetzt kommen wir an, egal wie. Wiese kann vor Schmerzen in den Füßen zwar kaum noch auftreten, wir schaffen nur noch 4,5 km/Stunde, aber wir schaffen!

Bei km 151 in Hohenburg letzte Rast. Es ist wie immer: wenn wir kommen, gehen einige los, andere sitzen noch, pausieren. Wenn wir gehen, kommen die nächsten. Man kennt sich schon! Überhaupt trifft man tolle Typen: den Lehrer aus Burg bei Magdeburg, mit den wir schon auf den ersten Kilometern tags zuvor gequatscht hatten – er muss hier aufgeben. Als ich mich von ihm verabschieden will, schläft er sitzend tief und fest. Oder der „Bremer“, der auch auf den ersten Kilometern mit uns unterwegs war, einen krachenden aber folgenlosen Sturz hingelegt hatte und sich vor Staunen über die irre Landschaft kaum beruhigen konnte, der „Eismann“, wie wir ihn nennen, er trägt die ganze Zeit eine Fahne, verpflegt sich auch an Kaufhallen, Pippo mit seinem Hund, naja, Hunden, den ersten hat er nach 138 km gegen einen anderen getauscht … und, und, und! Immer Witze, Sprüche, Zuspruch, einfach anders gelebte Lebensfreude! Leidens- und Genussgefährten!

Und wir gehören dazu! Wir erreichen gegen 21:30 Uhr des 09.04.2016 nach 172 gelaufenen Kilometern und 5900 Höhenmetern das Ziel in Kastl. Das Glücksgefühl kann ich nicht beschreiben, es gibt keine Worte dafür!

Wir waren mit Wiese ein gutes Team, haben uns gegenseitig motivierend am Leben und Laufen gehalten, es bleibt fraglich, ob jeder von uns das auch allein geschafft hätte.

Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT im Zielraum 170 km  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT Finisherjacken  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT Volker Rpßberg Dennis Brandt  Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT Volker im Ziel 239 km

Jedenfalls habe ich in diesem Jahr kein frühes Aus hingelegt, ich habe gefinisht! Und bin stolz wie Bolle, als ich am Folgetag meine Finisherjacke in Empfang nehme und natürlich auch gleich anziehe!

Bei mir heuer also kein frühes Aus und übrigens bei Volker auch kein schnelles Ende, wie im Vorjahr. Im Gegenteil! Der verrückte Kerl war auch bei km 170, unserem Ziel, wieder über alle Berge und schon gut 10 km weiter. Er erreicht am Folgetag nach 50:04 Stunden und 239 km mit 7900 Höhenmetern das Ziel in Dietfurt.

Hier warten wir auf ihn, freuen uns gemeinsam – ein großartiges Laufabenteuer findet sein würdiges Ende!

 

Der JUNUT ist anders als alle anderen mir bekannten Läufe, er ist durch die anspruchsvolle Landschaft extrem hart und durch die Klientel der Teilnehmer, Organisatoren und Helfer besonders herzlich, herzerwärmend.

Ich danke euch allen für dieses berauschende Lauffest, mehr kann und will ich dazu gar nicht sagen, schon beim Gedanken an das Erlebte schießt mir das Adrenalin in die Adern …

Eines muss aber noch erwähnt werden: Almuth und Diana haben sich wie Wiese und ich zum (Betreuer-)Team zusammen geschlossen und waren, anfangs gemeinsam mit Kerstin, an jedem VP, immer an der richtigen Stelle und vor allem immer mit den richtigen Worten, mit dem passenden Schweigen, mit den helfenden Handgriffen für uns da, selbst in der langen Nacht. Danke, das war wertvoll!

 Zu Volkers Bericht

Hier eine Übersicht der gelaufenen Strecke ,
leider nichts haargenaues denn: beim Batteriewechsel in Matting habe ich den ersten Teil des Tracks versehentlich gelöscht, dafür den des Vorjahres eingesetzt. Zudem weicht der Track von den Originaldaten ab - tatsächlich sind es 171,7 km und etwa 5900 hm:

Distanz: Kilometer
Höhe (min): Meter
Höhe (max): Meter

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Bilder dieses Beitrages stammen auch von Dirk Wiesner, Kerstin Roßberg und Almuth Dictus

Donaudruchbruch Jurasteig-Nonstop-Ultratrail JUNUT

 

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